Kohleausstiegsszenarien führen nicht weiter: Keine Experimente bei der strukturierten Energiewende

Zu der von Agora vorgelegten Studie zum Ausstieg aus der Kohleverstromung erklärt Bernd Westphal, wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion: „Die von Agora vorgelegte Studie zum Ausstieg aus der Kohleverstromung ist ein Debattenbeitrag. Er enthält Vorschläge, die einen Beitrag in der weiteren Debatte leisten können. Ein gleichzeitiger Ausstieg von Atom und Kohle ist für den Industriestandort Deutschland jedoch wenig sinnvoll.

Die drei energiepolitischen Ziele „sicher, sauber, bezahlbar“ sind gleichrangig zu betrachten. Der erfreuliche Anstieg des Anteils Erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung, die 2015 erstmals einen Anteil von über 30 Prozent erreicht hat, darf nicht verkennen, dass dies erst 12,6 Prozent des Primärenergieverbrauchs entspricht.

Solange die Grundlastfähigkeit des Stroms aus Sonne und Wind nicht gegeben ist und Speichertechnologien noch nicht ausreichend und wirtschaftlich zur Verfügung stehen, sind wir auf konventionelle Kraftwerke auf Basis von Braun-, Steinkohle und Erdgas angewiesen. Bei steigender Importabhängigkeit wäre es sehr leichtsinnig, auf den heimisch subventionsfrei zur Verfügung stehenden Energierohstoff Braunkohle zu verzichten. Erdöl wird zu 98 Prozent und Erdgas zu 90 Prozent aus dem Ausland importiert: Teils aus unsicheren Regionen, mit Umweltbelastungen bei der Gewinnung, hohen Preis- und Mengenrisiken sowie klimaschädlichen Transportverlusten.

Der im europäischen Vergleich hohe Anteil von industrieller Produktion hat Deutschland in die Lage versetzt, die globale Finanz- und Wirtschaftskrise besser zu überstehen als andere Länder. Die hohe Innovationskraft der Industrie ist Voraussetzung, um die Energiewende und notwendige Lösungen für globale Probleme zu entwickeln. Dieses Know-how muss am Standort gesichert und darf nicht mit unkalkulierbaren Risiken im Bereich Versorgungssicherheit und Preis gefährdet werden.

Zum Erreichen der Klimaziele sind alle Sektoren gefordert, einen Beitrag zu leisten. Dabei ist klar, dass die fossilen Energieträger nicht dauerhaft genutzt werden können. Der Dialog dazu ist mit allen Akteuren zu führen. Vor allem mit den Beschäftigten, der Gewerkschaft IG BCE, den Unternehmen und den betroffenen Regionen, die eine echte Chance bekommen müssen den Strukturwandel zu gestalten.

Nur wenn es gelingt, die drei energiepolitischen Ziele gleichrangig zu berücksichtigen, die Akzeptanz erhöht und die Wirtschaftskraft erhalten wird sowie soziale Brüche vermieden werden, findet die Energiewende auch Nachahmer in anderen Ländern. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten.“